[Forum] NTM

christoph meinel christoph.meinel at psk.uni-regensburg.de
Di Sep 15 13:47:59 CEST 2020


Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

ist es nicht erstaunlich? Nachdem die Diskussion zunächst gar nicht recht in
Gang kam und die Rundmail des Vorstands vom 20.8. den Eindruck erweckte, dass
die große Mehrheit der Mitglieder für einen Verzicht auf die Print-Ausgabe von
NTM wäre (34 : 6), scheinen die Forenbeiträge der letzten Tage mehrheitlich in
die gegenteilige Richtung zu weisen. Danke, Christine Nawa, dass Du die
Diskussion wieder angestoßen hast. Gute Entscheidungen brauchen Zeit. 

Auch wenn meine Argumente zugunsten des Erhalts der gedruckten Ausgabe zum
Teil schon von anderen angeführt worden sind, hier noch einmal die beiden für
mich wichtigsten Punkte, die ich dem Vorstand in dieser Form auch schon am 3.
März d.J. vorgetragen hatte:
	1.  die physisch vermittelte Bindungswirkung, die von einer in
regelmäßig ins Haus kommenden gedruckten Zeitschrift samt ihrem
vertrauten Layout ausgeht. Man wird regelmäßig daran erinnert, dass man
Mitglied ist, nimmt das Heft in aller Regel auch in die Hand, um zumindest das
Inhaltsverzeichnis und die Rezensionen zu überfliegen, und legt es dann zu den
anderen, noch zu lesenden Dingen, denen man sich vielleicht sogar erst am Abend
im Sessel zuwenden möchte.
Eine vergleichbare Bindungswirkung geht weder von den alljährlichen
Abbuchungen des Mitgliedsbeitrages, noch von dem ebenfalls nur noch
elektronisch verschickten Newsletter, noch von einer - was das mindeste wäre -
bei Erscheinen eines neuen Heftes jeweils an alle Mitglieder verschickten Mail
mit der Inhaltsübersicht aus (falls so etwas überhaupt geplant ist). Solche
virtuellen Anstöße gehen in der täglichen E-Mail-Flut leicht unter; auch
bedürfen sie einer unmittelbaren aktiven Antwort, nämlich das Anklicken
eines Links, um das Heft oder bestimmte Artikel am Bildschirm (!) zu lesen oder
herunterzuladen.
Die Folge der Umstellung dürfte eine veränderte Lesehaltung sein: Man blättert
nicht mehr in der Zeitschrift 'seiner' Gesellschaft, um zu erfahren, was die
Fachcommunity so umtreibt, sondern nimmt gezielt nur noch das auf, was man
braucht, weil es ins momentane eigene Suchprofil passt. Das gewissermaßen
absichtslose, flanierende Blättern und Lesen - ja, auch im Sessel, nicht bloß
am Schreibtisch - würde entfallen. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, am
Rand Anstreichungen oder Anmerkungen zu machen oder ein Post-it einzukleben.
Danke, Veronika, dass Du diesen Punkt besonders erwähnt hast!

	2.   wird der Mehrwert einer Mitgliedschaft in der GWMT nicht deutlich,
wenn NTM open access publiziert. Dann kann man die Zeitschrift ebenso gut und
ebenso rasch lesen, ganz gleich, ob man Mitglied ist oder nicht. Mit ihren
Beiträgen würden die Mitglieder (über die durch Einsparung der Print-Version
mögliche Finanzierung der Schriftleitung) eine Zeitschrift finanzieren, von
der sie keinerlei Nutzen hätten, den Nicht-Mitglieder nicht auch hätten. Dann
würde, was mal eine Mitgliederzeitschrift war, zu einer bloßen
online-Ressource wie jede Datenbank, worauf auch Cornelius Borck hingewiesen
hat.

	3.  und daran hat Mitch Ash zu Recht erinnert, werden infolge der
DEAL-Vereinbarung Autoren, die nicht einer deutschen, an DEAL teilnehmenden
Wissenschaftseinrichtung angehören, massiv benachteiligt, indem sie page fees
zahlen müssen, wenn sie in NTM publizieren wollen; desgleichen trifft es
Nicht-Mitglieder, die, wenn sie keiner der o.g. deutschen Institutionen
angehören, z.B. an  Museen arbeiten - Marion Ruisinger hat darauf
hingewiesen! - künftig die horrenden Download-Gebühren von Springer zahlen
müssen. Ist es nicht pervers: In Zeiten der Internationalisierung und
Öffnung der Wissenschaft sorgen kommerzielle Interessen dafür, dass sich
nationale Publikationsgemeinschaften (als Beutegemeinschaft der Verlage) wieder
abschotten.

	4.  gibt es, soweit ich weiß, weder bei der BSHS noch in der HSS
Überlegungen, die Printausgaben ihrer Zeitschriften zugunsten einer reinen
Online-Publikation einzustellen, und die BSHS verdient dabei an ihrer
Zeitschrift sogar noch gutes Geld! Wobei die Mitgliedsbeiträge (incl. des
Print-Auslands-Portos) mit denen der GWMT konkurrieren können. Da die BSHS nach
Mitgliederzahl und -struktur der GWMT durchaus vergleichbar ist, kann es nicht
nur am Englischen liegen, dass wir da nicht mithalten können.


Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Angelegenheit im Forum intensiv
vordiskutiert wird, bevor auf der Mitgliederversammlung darüber beschlossen
wird. Cornelius Borck hat zurecht darauf hingewiesen, dass >90% der Mitglieder
sich ja gar nicht an dieser Diskussion beteiligt haben und wir folglich nicht
wissen, ob ihr Schweigen als Zustimmung zum Vorschlag des Vorstandes ausgelegt
werden darf oder ob wir diese 90% elektronisch einfach nicht erreichen; denn an
der online-Mitgliederversammlung werden sie diese vermutlich auch nicht
teilnehmen.
Herzliche Grüße,
Christoph Meinel


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    Prof. em. Dr. Christoph Meinel
	Wissenschaftsgeschichte / History of Science
    Universität Regensburg
    D-93040 Regensburg, Germany
    Tel. +49-941-943 3646/3661
	Fax +49-941-943 1985
	http://wissenschaftsgeschichte.uni-regensburg.de
    https://homepages.uni-regensburg.de/~mec02077/
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