[Forum] NTM-Printausgabe

Johanna Bleker johanna.bleker at gmx.de
Fr Sep 18 16:21:49 CEST 2020


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als langjährige geschäftsführende Herausgeberin des Medizinhistorischen
Journals, weiß ich wieviel Arbeit in jedem publizierten Heft steckt.
Finde aber, dass sich diese Arbeit lohnt! Deswegen möchte ich den guten
Argumenten für die Beibehaltung der Printausgabe unbedingt beipflichten.
Ein bislang weniger genannter Aspekt ist, dass das rein digitale
Arbeiten methodische Schwachstellen hat.

Natürlich bedeutet die digitale Verfügbarkeit der neuesten Ergebnisse
eine große Erleichterung für die gezielte und effiziente Bearbeitung
historischer Fragen. Allerdings nur, sofern eindeutige Begriffe, Namen
und Zitate bereits zur Verfügung stehen. Wenn aber solche Vorarbeiten
nicht vorhanden sind, wird die digitale Engführung zum Handycap. Auch
Begriffswechsel oder Bedeutungsveränderungen werden zu Stolperfallen.
Beim Durchblättern eines Zeitschriftenheftes bleiben dagegen für den
Moment nutzlose Informationen (sozusagen als Beifang) hängen, die sich
in neuen Kontexten als nützlich erweisen können. So wie bei einer
Präsensbibliothek auch benachbarte Bücher ins Blickfeld geraten, bringt
ein analoges Heft Aspekte, die über den augenblicklichen Horizont
hinausführen ins Spiel. Das ist zunächst einmal unökonomisch aber dafür
fruchtbar.

Zudem: Anders als in der naturwissenschaftlich geprägten Forschung sind
wissenschaftshistorische Artikel nicht in kürzester Zeit überholt. D.h.
es lohnt sich, wenn man auch auf mehr als 3 Jahre zurückliegende Artikel
problemlos und kostenfrei zugreifen kann.  Ob die dann im eigenen
Bücherregal stehen oder in einer öffentlich zugänglichen Bibliothek ist
gleichgültig. Doch beim gegenwärtigen Sachstand kann nur die Anschaffung
einer Papierversion eine langfristige Verfügbarkeit garantieren.
Deswegen müssten zumindest für Institute und Bibliotheken eine
Printversion angeboten werden.

Und schließlich: Der Inhalt einer publizierten Zeitschrift erschöpft
sich nicht in den wissenschaftlichen Artikeln. Rezensionen,
Personalnachrichten, Herausgeberwechsel, Veränderungen des Schriftbildes
etc. können für Historiker wichtige Informationen enthalten. In älteren
Zeitschriften sind diese Elemente meist schon bei der Retrokonversion
ausgemustert worden, also nur über die Printausgabe greifbar. Wenn wir
keine Printausgabe mehr herstellen, weerden spätere Forscherinnen und
Forscher gänzlich auf diese Quellen verzichten müssen.

Ich drücke der Fortexistenz der NTM die Daumen

Johanna Bleker

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Dr.med.Johanna Bleker
Professorin für Geschichte der Medizin i.R.
Ringstr. 30, 12205 Berlin  Tel.:+4930 8337723 / 0160 91088 584



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