[Forum] BIOLOGIE UND LITERATUR - Call for Papers zur 30. Jahrestagung der DGGTB
Dr. Heiko Weber
hweber at gwdg.de
Mo Feb 7 19:45:32 CET 2022
Liebe KollegInnen,
nachstehenden cfp und Hinweis moechte ich gern weiterleiten.
Mit herzlichen Gruessen aus Goettingen
Heiko Weber
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BIOLOGIE UND LITERATUR | Call for Papers zur 30.
Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie 2022
Einsendeschluss: 30. April 2022
Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e. V. (DGGTB)
Zeitraum: 24.-26. Juni 2022
Ort: Jena, Großer Hörsaal der Zoologischen Fakultät, Erbertstraße 1, 07743 Jena
(pandemiebedingte onlineoder
hybride Veranstaltung vorbehalten)
Die Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e. V.
(DGGTB) verfolgt das Ziel, die
Erforschung und Vermittlung der Geschichte und Theorie der Biologie zu
fördern. Unsere Jahrestagungen
sollen den wissenschaftlichen Austausch zwischen unseren Mitgliedern,
Institutionen mit ähnlichen
Themenschwerpunkten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern,
sowie interessierten Lehrkräften
ermöglichen und so das gesellschaftliche Bewusstsein für die
wissenschaftshistorischen und theoretischen
Grundlagen unseres heutigen Verständnisses von Biologie zu schärfen.
Für die 30. Jahrestagung im Juni 2022 hat die DGGTB das Thema Biologie
und Literatur ausgewählt. Obwohl
die Überlappung von schöngeistigen und naturwissenschaftlichen Motiven und
Ideen in vielen rezenten
Publikationen zur Sprache kommt, wird sie selten direkt thematisiert. Ein
Grund mag in der Reichhaltigkeit und
Vielfalt der Facetten liegen, die es hierbei zu bedenken gilt - die
Jubiläumstagung lädt somit zu einem
glitzernden Feuerwerk ein.
Die Biologie wird, wie auch die Naturwissenschaften generell, seit jeher und
bedeutend von der Erschaffung
unterschiedlichster literarischer Produkte begleitet: Noch vor den
wissenschaftlichen Sammlungen, fungieren
verbale Aufzeichnungen - Monographien, Essays, Einträge in Enzyklopädien,
Text- und Schulbücher, Berichte,
Protokolle, Übersetzungen usw. - als die wichtigsten Träger der Fixierung und
der Kommunikation von
Theorien, Konzepten und Forschungsergebnissen. Dennoch hat sich gerade
in der zeitgenössischen
Geschichtstheorie eine kategorische Gegenüberstellung z.B. bei der
Behandlung von Lebewesen als literarische
Fiktion oder als reale Gegenstände wissenschaftlicher Erforschung erhalten.
In den letzten Jahren ist diese
Grenze zwischen den "zwei Kulturen" vermehrt verschwommen - Anlass für
die DGGTB diese Abgrenzung bzw.
Wechselwirkung zu hinterfragen. Gegenstand des Tagungsthemas ist sowohl
der Einfluss der biologischen
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Wissenschaften auf die Produktion von Romanen, Kurzgeschichten und
Gedichten, als auch umgekehrt die
Aufnahme oder Reflektion schöngeistiger Figuren, Themen und Stilmittel in
den Lebenswissenschaften.
Die Tagung wird sich - in historischer und in aktueller Perspektive - mit
folgenden Aspekten im Spannungsfeld
zwischen den Biowissenschaften und Literatur befassen:
- Auf der theoretischen Ebene lädt das Thema zu Gedanken darüber ein,
welche positive Form der
Zusammenarbeit es zwischen beiden Bereichen geben kann oder darf, oder
ob diese als missglückte
Interferenz abzulehnen ist. Wie viele biologische Kenntnisse flossen in die
Erfindung pflanzlicher oder
tierischer Roman- oder Gedichtfiguren? Speziell aus dem Bereich der
Science-Fiction laden viele Fallstudien
zu derartigen Überlegungen ein. Zukunftsängste liegen zahlreichen
naturwissenschaftlich-technischen
Dystopien zugrunde. Krankheiten und Pandemien sind spätestens seit
Boccaccios Decameron (ca. 1353)
beliebte Themen ebenso wie biologisch-medizinische Methoden wie
Transplantationen (z.B. in M. Shelleys
Frankenstein), Radiobiologie (R. M. Frescos Tarantula) und Gentechnologie
(A. Huxleys Schöne neue Welt).
- Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, in welcher Form
Naturwissenschaftler von literarischen
Lebensformen inspiriert wurden? Literarische und poetische Vorlagen dienten
beispielsweise Carl von Linné
bei der wissenschaftlichen Namensgebung von neuen Pflanzenspezies und
stimulierten Ernst Haeckels
Kreativität bei der Findung von Neologismen.
- Populärwissenschaftliche und populärbiologische Werke, aber auch Schul-
und Textbücher befinden sich in
einem space in between und verdienen damit ein besonderes Augenmerk. Im
19. Jahrhundert fand eine
naturwissenschaftliche Aufklärung mit den Mitteln der Literatur statt (E.
Haeckel, W. Bölsche,
W. Breitenbach, Kosmos-Verlag, Insel-Verlag, Friedrichshagener Kreis) und
es stellt sich die Frage, wozu
dienten und inwieweit prägten literarische und populäre Darstellungen unser
Bild der Biologiegeschichte?
- Bestimmte Epochen, wie die Romantik, aber auch Autoren wie Goethe
zeichneten sich durch ein besonderes
Verhältnis von literarischer und naturwissenschaftlicher Produktion aus. Doch
auch in anderen Perioden
wurden Koalitionen zwischen Literatur und Biologie eingegangen, die von
Gedichten über Bauernromane
bis hin zur monistischen und sozialistischen Literatur reichen.
- Biologische Konzepte wie Evolution, Darwinismus, Symbiose, Parasitismus
oder Ökologie werden ebenfalls
gern in der schöngeistigen Literatur aufgegriffen und hinterlassen bei ihren
Lesern oft eine nachhaltigere
Wirkung als das wissenschaftliche Konzept selbst.
- Historische aber auch noch lebende Autoritäten der Lebenswissenschaften
treten gelegentlich ebenso in
der Prosa-Literatur auf, wie etwa Lazzaro Spallanzani in E.T.A Hoffmanns Der
Sandmann (1816), Charles
Darwin in J. Darntons The Darwin Conspiracy (2005) oder Gregor Mendel in
S. Mawers Mendel´s Dwarf
(1999).
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- Bei der Einarbeitung von bestimmten Lebewesen - Tiere, Pflanzen, Viren,
Algen - in literarische Texte
nahmen viele Autoren Rückgriff auf die zeitgenössische wissenschaftliche
Literatur oder, wie die bekannten
Beispiele des Axolotls oder Melvilles Moby Dick zeigen, auf eigene Studien
und Erfahrungen. Das Thema
Biologie und Literatur lädt jedoch auch zu autoren- und
epochenübergreifenden Studien zur Darstellung
bestimmter Organismen oder Organismengruppen, beispielsweise der
Honigbiene, ein.
- Die bewusste Anwendung literarischer Stilmittel in wissenschaftlichen
Texten, beispielsweise in Charles
Darwins Origin of Species, ist eine weitere Perspektive, die bei der
Verhandlung von Biologie und Literatur
nicht fehlen sollte.
- Rezente Mittel literaturwissenschaftlicher Analyse naturwissenschaftlicher
Texte, wie das literature data
mining, aber auch der Einfluss von textverarbeitenden Medien und
Textsuchmaschinen, versprechen neue
theoretische Einblicke, ebenso wie umgekehrt Vertreter des evocriticism
versuchen, die
naturwissenschaftliche Methoden zum Studium der Literatur und der schönen
Künste zu nutzen.
- freie Themen.
Die interdisziplinäre und multidisziplinäre Auseinandersetzung ist explizit
erwünscht. Hierbei soll jedoch,
ungleich den rezent entwickelten cultural animal studies und cultural plant
studies, der Fokus nicht auf den
biologischen Subjekten, also Tieren, Pflanzen, Algen, Viren u. ä. selbst,
sondern auf deren
naturwissenschaftlicher, speziell biologischer Betrachtung, Verhandlung und
Theoretisierung liegen.
Zur Bewerbung
Es besteht die Möglichkeit, Panels anzubieten. Besonders erwünscht sind
Beiträge, die mehrere Aspekte des
Themas zusammenführen. Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Die Beiträge der Jahrestagung
können nach Begutachtung im 26. Band der Verhandlungen zur Geschichte
und Theorie der Biologie, dem
zentralen Publikationsorgan der DGGTB, veröffentlicht werden.
Themenvorschläge im Umfang von ca. 2.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen)
werden bis spätestens 30. April 2022
erbeten an den stellv. Vorsitzenden der Gesellschaft: Dr. Karl Porges, Am
Steiger 3 (Bienenhaus), 07743 Jena,
karl.porges at uni-jena.de. Bitte teilen Sie auch einige kurze Angaben zu Ihrer
Person (Funktion, Wirkungsstätte)
mit. Die Rückmeldung über die Annahme oder Ablehnung des Vorschlags
erfolgt bis Mitte Mai 2022.
Literaturauswahl
Bono, James J. (ed.) (2010). History of science and Literature and science:
Convergences and divergences.
Isis 101(3, Special issue): 555-598.
Borges, Roland. (2015). Introduction: Cultural and literary animal studies.
Journal of Literary Theory 9(2): 155-
160.
Hoare, Philip. (2013). Cetology: How science inspired Moby-Dick. Nature 493:
160-161.
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Kranz, Isabel. (2020). Zur Poetik der Pflanzennamen in der Botanik: Carl von
Linné. Poetica 50(1-2): 2.
Michler, W. (1999): Darwinismus und Literatur. Naturwissenschaftliche und
literarische Intelligenz in Österreich,
1859 - 1914. Wien: Böhlau-Verlag.
Parker, Helen N. (1984). Biological Themes in Modern Science Fiction. Ann
Arbor, MI: UMI Research Press.
Peterfreund, Stuart (ed.) (1990). Literature and Science: Theory and Practice.
Boston: Northeastern University
Press.
Schmeink, Lars (2016). Biopunk Dystopias: Genetic engineering, society, and
science fiction. Liverpool
University Press.
Schümann, D. (2015): Kampf ums Da(bei)sein: Darwin-Diskurse und die
polnische Literatur bis 1900. Wien:
Böhlau-Verlag.
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