[Forum] CfP Dribruger Kreis 2023

Paulina S. Gennermann pgennermann at uni-bielefeld.de
Mi Apr 26 17:44:50 CEST 2023


Der Driburger Kreis trifft sich vom *Montag, 11. September bis Mittwoch, 
13. September 2023* in Person in Ingolstadt im Vorfeld der Jahrestagung 
der Gesellschaft für Wissenschaften, Medizin und Technik (GWMT).


        Zu spät – Eine kritische Betrachtung von Zeitlichkeit und Wertung

Zeit ist der definierende Faktor jeder historischen Betrachtung, obwohl 
er selten als solcher benannt wird. In den letzten Jahren haben neue 
temporale Konzepte wie das Anthropozän sowie die kritische Betrachtung 
regionaler Epochenbegriffe im globalen Kontext neue Perspektiven auf 
diesen Aspekt eröffnet. Während die Rolle des Menschen in größeren 
zeitlichen Dimensionen gedacht wird, hinterfragen Forscher*innen auch 
kritisch, inwiefern Konzepte wie “Das Mittelalter” und die Anwendung 
damit tradierten Vorstellungen auf andere Kulturkreise angemessen sind. 
Zeit, so steht inzwischen fest, ist auch ein wertender Faktor, dessen 
sich Historiker*innen bewusst sein müssen.

Zugleich spielt Zeit auch in kleinsten Mengen für die Geschichte und 
nicht zuletzt für die Wissenschaften, Medizin und Technik eine 
entscheidende Rolle. Prioritätenstreitigkeiten und Erfindungswettbewerbe 
zeigen, dass der Anspruch, etwas zuerst entdeckt oder erfunden zu haben, 
nicht nur momentanes Ansehen, sondern auch historischen Ruhm und 
Einfluss bedeuten kann. Die Verlierer*innen haben dabei häufig das 
Nachsehen. Zu spät im Rennen um Anerkennung, verschwinden sie in den 
Fußnoten der Geschichte und ihre Ansätze verblassen angesichts der 
vermeintlich einzigen Lösung der Ersten.
Wissenschaftshistoriker*innen haben unlängst den Blick der Forschung auf 
die Peripherie, das Nicht-Elitäre, die „Workingclass of Knowledge 
Production“ gerichtet und dabei gezeigt, dass diese nicht nur 
essenzielle Bausteine der Wissensgebäude sind, deren Fassade die 
Wissenschaftsgeschichte bislang bevorzugt beleuchtet hat. Sie haben 
damit zugleich ein kritisches Licht auf wissenschaftshistorische 
Praktiken und Methoden geworfen.

In diesem Sinne beschäftigt sich der Driburger Kreis in diesem Jahr mit 
der Marginalisierung der zeitlich Nachkommenden unter dem Titel „Zu 
Spät“. Gemeint ist hier im weitesten Sinne die negative Wertung von 
Zeitlichkeit, beispielsweise in Fallstudien, in denen spezifische 
Errungenschaften, eine Person(engruppen) oder Ereignisse hinter einem 
anderem zurückstehen musste und zeitgenössisch oder rückwirkend dadurch 
abgewertet wurde. Naheliegende Fälle wie Prioritätsstreitigkeiten sind 
ebenso willkommen wie kritische Betrachtungen von westlichen 
Überlegenheitsnarrativen, etwa wenn es um die „Erstentdeckung“ 
nicht-europäischer Teile der Welt geht.

Mögliche Perspektiven, aus denen man sich dem Thema nähern könnte:

  *
      o Prioritätsstreitigkeiten und Hoheitsansprüche auf Grund von
        zeitlichem Zuvorkommen
      o Forcierung von Linearität und einem Fokus auf eine
        Schlüsselperson/ein Schlüsselereignis als zentralem Aspekt in
        wissenschaftshistorischen Narrativen
      o Die Wahrnehmung von Zeitlichkeit und Druck bei Wissenschaftler*innen
      o Entdeckungen und Errungenschaften, die weniger oder keine
        Beachtung fanden, da sie hinter einem als wichtiges
        wahrgenommenes Ereignis zurückstehen mussten
      o Eine kritische Betrachtung des Konzepts „zu spät“ anhand
        wissenschaftshistorischer Beispiele
      o Reflexionen zu Zeitlichkeit und verwandten Konzepten wie Eile,
        Hast, Zügigkeit im wissenschaftshistorischen Kontext
      o Fälle, in denen der zeitliche Wettbewerbsfaktor gezielt
        ignoriert, ausgehebelt oder kritisiert wurde

Das Tagungsthema ist explizit weit gefasst und zielt darauf ab, 
verschiedenste Aspekte und Perspektiven der Geschichte der 
Naturwissenschaften, Medizin und Technik unter „zu spät“ bewusst mit 
einer kritischen Betrachtung von Zeitlichkeit zu konfrontieren.

von Alexander Stöger (Universität Leiden)

Abstracts von einer Seite für ca. 15-minütige Vorträge nebst 
Kurzlebenslauf (zusammengefasst in einem Word-kompatiblen Dokument) 
werden erbeten bis zum *15. Mai 2023* an info at driburgerkreis.de. Weitere 
Informationen zu Abstracts und dem Format des Driburger Kreises finden 
sich hier <https://driburgerkreis.de/guidelines>.
Für Beitrag und Diskussion sind insgesamt 30 Minuten angedacht. Fragen 
zum Thema oder der Veranstaltung können gerne an das Organisationsteam 
gerichtet werden (ebenfalls unter info at driburgerkreis.de).
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