[Forum] NTM

Carsten Reinhardt carsten.reinhardt at uni-bielefeld.de
Mi Sep 16 14:47:31 CEST 2020


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich schreibe, um einige offenkundige Mißverständnisse aufzuklären und 
mache diese zunächst an Christoph Meinels vier Punkten fest. Ich ergänze 
dann um drei weitere Punkte.

1) Die Bindungswirkung einer Druckausgabe. Ja, das ist ein Argument, das 
wir bedenken sollen. *Die Frage, die wir beantworten müssen ist, ob an 
alle Mitglieder qua Mitgliedschaft ein Druckexemplar verschickt wird, 
oder ob dies -- in der Tat dann unabhängig von der Mitgliedschaft -- 
individuell per Abo erfolgen kann. *

2) *Wir entscheiden **_nicht_**, ob NTM durch DEAL Open Access 
zugänglich ist oder nicht. *Die Zeitschrift ist Eigentum des Verlages. 
Wenn Springer DEAL unterzeichnet und NTM inkludiert, können wir nichts 
tun. Diese (ich finde persönlich: unglückliche bis unheilvolle) 
Situation ist die Ursache unsere Debatte. Denn von 01/2020 an stehen die 
allermeisten Artikel von NTM frei im Netz. *Wir haben den Mehrwert einer 
Mitgliederzeitschrift größtenteils verloren -- und können daran nichts 
ändern*. Außer, NTM aufzugeben und eine neue Zeitschrift zu gründen.

3) Es ist korrekt, dass Autor*innen von Nicht-DEAL Institutionen 
benachteiligt werden. Allerdings nicht primär durch das Zahlen einer 
Gebühr, sondern dadurch, dass ihre Artikel nicht durch DEAL open access 
geschaltet werden. Dies ist ein wesentliches Manko (um es zu 
untertreiben) der DEAL Verträge. Da Verträge immer zwei Seiten haben, 
seien neben der "Beutegemeinschaft" der Verlage auch die deutschen 
Wissenschaftsorganisationen -- unsere Universitäten und 
Forschungsorganisationen -- genannt, die diese Verträge ausgehandelt 
haben und DEAL finanzieren. *An der Benachteiligung von 
***Nicht-Deal-Mitgliedern *wird die Entscheidung, ob wir die 
Druckausgabe für alle Mitglieder beziehen wollen oder nicht, nicht das 
Geringste ändern.*

4) *Die Situation der BSHS und der HSS ist eine andere*. Beide hängen an 
Universitätsverlagen, beide haben eine andere Reichweite und als Folge 
eine andere Ökonomie. Soweit ich weiß, bezuschusst Cambridge University 
Press die Redaktion der BJHS in erheblichem Maße. Chicago dürfte das mit 
der Isis ebenso halten. Ich bezweifle, dass sich dies auf die deutsche 
Situation übertragen ließe. Die Mitgliederzahlen spielen bei dieser 
Frage eine untergeordnete Rolle, und ein auf ihrer Basis gezogener 
Vergleich ist irreführend.

5) Mein fünfter Punkt ist rein formal: *Die Organe der Gesellschaft sind 
der Vorstand und die Mitgliederversammlung.* Natürlich kann die MV den 
Vorstand beauftragen, eine Entscheidung von einem Schwellenwert von 
Rückmeldungen abhängig zu machen. Denn nichts anderes wäre Christine 
Nawas Vorschlag, eine Kündigung des Druckabos zu provozieren. Der 
Vorstand hat es bisher vermieden, der MV vorzuschlagen, sich an solche 
Abstimmungen zu binden -- so ist die Umfrage, die das Ergebnis von 34:6 
brachte, ebensowenig _bindend_ für die MV wie es unsere Forumsdiskussion 
hier ist. Ein Schwellenwert von 50% Rücklauf, dies sei mir erlaubt zu 
sagen, ist de facto eine Fortschreibung des status quo, da dieser Wert 
mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht erreicht wird, egal um was es 
geht.

6) *Die Entscheidung ist letztendlich finanzieller Art.* Wollen wir eine 
Summe von 11-12.000 Euro pro Jahr durch Aufgabe der Druckausgabe 
freimachen, um sie für etwas anderes -- hier die Unterstützung der 
Schriftleitung -- einzusetzen? Es besteht hier kein ursächlicher 
Zusammenhang, dies merkt Moritz Epple richtig an. Selbstverständlich 
kann diese Summe auch anderweitig aufgebracht werden. Auch letzteres 
kann die MV beschließen. Wir haben ca. 600 Mitglieder: *Wenn **_im 
Schnitt jedes Mitglied_**20 Euro mehr pro Jahr aufzubringen bereit ist, 
können wir sowohl die Fortführung der Druckausgabe als auch die 
Unterstützung der Redaktion bewerkstelligen.*

7) Die MV der GWMT hat entschieden, NTM zu ihrem Organ zu machen und 
sich damit entschlossen, zu ihrem Erfolg beizutragen. Die Erfolge von 
NTM sind sehr bemerkenswert, ja großartig, im Rahmen des Systems, in dem 
wir uns bewegen. Sie sind auf die hervorragende Arbeit der Redaktion 
zurückzuführen, die NTM zu einer international wahrgenommenen 
Zeitschrift gemacht habt, mit weiter aufsteigender Tendenz. Kann diese 
Arbeit so erfolgreich fortgesetzt werden? *_W_**_elche_**NTM im 
Briefkasten liegt, ist das entscheidende Votum der MV am 24.9., nicht, 
ob es ein **elektronischer und/oder physischer Briefkasten ist.*

Herzlich, Euer / Ihr Carsten Reinhardt



Am 16.09.20 um 12:53 schrieb Nawa, Christine via Forum:
>
> Liebe alle,
>
> ich freue mich sehr, dass im Anschluss an meine Mail vom 11. September 
> eine so lebhafte Diskussion mit vielen guten Argumenten für und wider 
> der Beibehaltung der NTM-Printausgabe für alle Mitglieder in Gang 
> gekommen ist.
>
> Zur weiteren Vorgehensweise möchte ich noch eine Alternativ-Option 
> vorschlagen: Das bisherige Modell sieht vor, die Default-Option 
> „Druck“ einzustellen. Dabei müssten all diejenigen tätig werden und 
> einen vergleichsweise hohen Aufpreis bezahlen, die zur – ohnehin frei 
> verfügbaren Online-Version – weiterhin ein gedrucktes Exemplar 
> beziehen möchten.
>
> Ich schlage vor, auch einmal die Option des umgekehrten Weges zu 
> prüfen: Diejenigen Mitglieder, die die NTM nicht mehr in gedruckter 
> Form beziehen möchten, mögen Sie aktiv bis zu einem bestimmten 
> Stichtag (z.B. 1.11.) abbestellen. Sollten dies mehr als 50 Prozent 
> der Mitglieder tun, möge der Vorstand, wie vorgeschlagen verfahren. 
> Anderenfalls könnte sich das Abbestellen der Druck-Ausgabe in einem 
> ermäßigten Beitragssatz niederschlagen, der durch eine – bereits 
> mehrfach angeregte – moderate Erhöhung der Mitgliedsbeiträge insgesamt 
> aufgefangen werden könnte.
>
> Diese Vorgehensweise hätte den Vorteil, dass eine so einschneidende 
> und grundsätzliche Entscheidung nicht allein von der (nur von wenigen 
> Mitgliedern besuchten) Mitgliederversammlung entschieden würde, 
> sondern die Mitgliedschaft insgesamt und jede/r einzelne/r für sich 
> entscheiden könnten und die MV lediglich die im vorigen Absatz 
> beschriebene Vorgehensweise beschließen müsste.
>
> Viele Grüße,
>
> Christine Nawa
>
> *Von:*Forum <forum-bounces at gwmt.de> *Im Auftrag von *Françoise 
> Willmann via Forum
> *Gesendet:* Mittwoch, 16. September 2020 12:51
> *An:* christoph meinel <christoph.meinel at psk.uni-regensburg.de>
> *Cc:* forum at gwmt.de
> *Betreff:* Re: [Forum] NTM
>
> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
> alle Beiträge zur Diskussion habe ich nicht gelesen, dafür gerade 
> Moritz Epple und daraufhin Christoph Meinel, mit dem ich vollkommen 
> übereinstimme.
>
> Bis jetzt gehörte ich zu den 90% der Schweigenden, und fühle mich 
> durch Christoph Meinels Hinweis provoziert; wohl gibt es keine 
> Möglichkeit, Schweigen zu deuten (es gibt im französischen das alte 
> Sprichwort : qui ne dit mot consent). Genauso gut ließe sich aber 
> denken, dass der Trend zur Digitalisierung dermaßen stark ist, dass 
> sich auch entschiedene Gegner dieses Trends nicht mehr zu Wort melden 
> mögen. Ich jedenfalls wäre über das Ende der Print-Ausgabe untröstlich.
>
> Mit freundlichen Grüßen
>
> Françoise Willmann
>
> ----- Le 15 Sep 20, à 13:47, christoph meinel via Forum <forum at gwmt.de 
> <mailto:forum at gwmt.de>> a écrit :
>
>     Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
>     ist es nicht erstaunlich? Nachdem die Diskussion zunächst gar
>     nicht recht in Gang kam und die Rundmail des Vorstands vom 20.8.
>     den Eindruck erweckte, dass die große Mehrheit der Mitglieder für
>     einen Verzicht auf die Print-Ausgabe von NTM wäre (34 : 6),
>     scheinen die Forenbeiträge der letzten Tage mehrheitlich in die
>     gegenteilige Richtung zu weisen. Danke, Christine Nawa, dass Du
>     die Diskussion wieder angestoßen hast. Gute Entscheidungen
>     brauchen Zeit.
>
>     Auch wenn meine Argumente zugunsten des Erhalts der gedruckten
>     Ausgabe zum Teil schon von anderen angeführt worden sind, hier
>     noch einmal die beiden für mich wichtigsten Punkte, die ich dem
>     Vorstand in dieser Form auch schon am 3. März d.J. vorgetragen hatte:
>
>      1. die physisch vermittelte _Bindungswirkung_, die von einer in
>         regelmäßig ins Haus kommenden gedruckten Zeitschrift samt
>         ihrem vertrauten Layout ausgeht. Man wird regelmäßig daran
>         erinnert, dass man Mitglied ist, nimmt das Heft in aller Regel
>         auch in die Hand, um zumindest das Inhaltsverzeichnis und die
>         Rezensionen zu überfliegen, und legt es dann zu den anderen,
>         noch zu lesenden Dingen, denen man sich vielleicht sogar erst
>         am Abend im Sessel zuwenden möchte.
>         Eine vergleichbare Bindungswirkung geht weder von den
>         alljährlichen Abbuchungen des Mitgliedsbeitrages, noch von dem
>         ebenfalls nur noch elektronisch verschickten Newsletter, noch
>         von einer - was das mindeste wäre - bei Erscheinen eines neuen
>         Heftes jeweils an alle Mitglieder verschickten Mail mit der
>         Inhaltsübersicht aus (falls so etwas überhaupt geplant ist).
>         Solche virtuellen Anstöße gehen in der täglichen E-Mail-Flut
>         leicht unter; auch bedürfen sie einer unmittelbaren aktiven
>         Antwort, nämlich das Anklicken eines Links, um das Heft oder
>         bestimmte Artikel am Bildschirm (!) zu lesen oder herunterzuladen.
>         Die Folge der Umstellung dürfte eine veränderte Lesehaltung
>         sein: Man blättert nicht mehr in der Zeitschrift 'seiner'
>         Gesellschaft, um zu erfahren, was die Fachcommunity so
>         umtreibt, sondern nimmt gezielt nur noch das auf, was man
>         braucht, weil es ins momentane eigene Suchprofil passt. Das
>         gewissermaßen absichtslose, flanierende Blättern und Lesen -
>         ja, auch im Sessel, nicht bloß am Schreibtisch - würde
>         entfallen. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, am Rand
>         Anstreichungen oder Anmerkungen zu machen oder ein Post-it
>         einzukleben. Danke, Veronika, dass Du diesen Punkt besonders
>         erwähnt hast!
>      2. wird der _Mehrwert einer Mitgliedschaft_ in der GWMT nicht
>         deutlich, wenn NTM /open access/ publiziert. Dann kann man die
>         Zeitschrift ebenso gut und ebenso rasch lesen, ganz gleich, ob
>         man Mitglied ist oder nicht. Mit ihren Beiträgen würden die
>         Mitglieder (über die durch Einsparung der Print-Version
>         mögliche Finanzierung der Schriftleitung) eine Zeitschrift
>         finanzieren, von der sie keinerlei Nutzen hätten, den
>         Nicht-Mitglieder nicht auch hätten. Dann würde, was mal eine
>         Mitgliederzeitschrift war, zu einer bloßen online-Ressource
>         wie jede Datenbank, worauf auch Cornelius Borck hingewiesen hat.
>      3. und daran hat Mitch Ash zu Recht erinnert, werden infolge der
>         DEAL-Vereinbarung _Autoren, die nicht einer deutschen, an DEAL
>         teilnehmenden Wissenschaftseinrichtung angehören_, massiv
>         benachteiligt, indem sie /page fees /zahlen müssen, wenn sie
>         in NTM publizieren wollen; desgleichen trifft es
>         Nicht-Mitglieder, die, wenn sie keiner der o.g. deutschen
>         Institutionen angehören, z.B. an Museen arbeiten - Marion
>         Ruisinger hat darauf hingewiesen! - künftig die horrenden
>         Download-Gebühren von Springer zahlen müssen. Ist es nicht
>         pervers: In Zeiten der Internationalisierung und Öffnung der
>         Wissenschaft sorgen kommerzielle Interessen dafür, dass sich
>         nationale Publikationsgemeinschaften (als Beutegemeinschaft
>         der Verlage) wieder abschotten.
>      4. gibt es, soweit ich weiß, _weder bei der BSHS noch in der HSS_
>         Überlegungen, die Printausgaben ihrer Zeitschriften zugunsten
>         einer reinen Online-Publikation einzustellen, und die BSHS
>         verdient dabei an ihrer Zeitschrift sogar noch gutes Geld!
>         Wobei die Mitgliedsbeiträge (incl. des Print-Auslands-Portos)
>         mit denen der GWMT konkurrieren können. Da die BSHS nach
>         Mitgliederzahl und -struktur der GWMT durchaus vergleichbar
>         ist, kann es nicht nur am Englischen liegen, dass wir da nicht
>         mithalten können.
>
>     Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Angelegenheit im Forum
>     intensiv vordiskutiert wird, bevor auf der Mitgliederversammlung
>     darüber beschlossen wird. Cornelius Borck hat zurecht darauf
>     hingewiesen, dass >90% der Mitglieder sich ja gar nicht an dieser
>     Diskussion beteiligt haben und wir folglich nicht wissen, ob ihr
>     Schweigen als Zustimmung zum Vorschlag des Vorstandes ausgelegt
>     werden darf oder ob wir diese 90% elektronisch einfach nicht
>     erreichen; denn an der online-Mitgliederversammlung werden sie
>     diese vermutlich auch nicht teilnehmen.
>
>     Herzliche Grüße,
>     Christoph Meinel
>
>
>
>
>     ___________________________________________
>
>     Prof. em. Dr. Christoph Meinel
>         Wissenschaftsgeschichte / History of Science
>         Universität Regensburg
>         D-93040 Regensburg, Germany
>         Tel. +49-941-943 3646/3661
>         Fax +49-941-943 1985
>     http://wissenschaftsgeschichte.uni-regensburg.de
>
>     https://homepages.uni-regensburg.de/~mec02077/
>     ___________________________________________
>
>
>     Dies ist das Forum zum Austausch unter Mitgliedern der
>     Gesellschaft fuer die Geschichte der Wissenschaften, der Medizin
>     und der Technik e. V. (GWMT).
>     https://www.gwmt.de/ _______________________________________________
>     Forum mailing list
>     Forum at gwmt.de <mailto:Forum at gwmt.de>
>     http://lists.gwmt.de/cgi-bin/mailman/listinfo/forum
>
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>
> Françoise Willmann
>
> Maître de conférences HDR émérite en Etudes germaniques (Histoire des 
> idées)
> Université de Lorraine
> CAMPUS LETTRES et SCIENCES HUMAINES
> 23 BOULEVARD ALBERT 1ER
> BP 60446
> 54001 NANCY CEDEX
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> AHP-PReST (CNRS-UL-US-UMR 7117)
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> Dies ist das Forum zum Austausch unter Mitgliedern der Gesellschaft fuer die Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik e. V. (GWMT).
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